Spatial Videos: Das nächste Kapitel der Videoproduktion – oder doch nicht?
- Markus Borgmann

- 1. Sept.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 2. Sept.
Stell dir vor, du schaust dir ein Video an und hast das Gefühl, im Geschehen mittendrin zu sein. Nicht nur als Zuschauer, sondern förmlich mitten im Raum. Genau dieses Erlebnis versprechen Spatial Videos. Sie gelten als nächste Entwicklungsstufe im Bewegtbild und bringen eine neue Dimension in die Art, wie wir Erinnerungen festhalten oder Geschichten erzählen. Dieser Artikel erklärt, was genau dahintersteckt und ob es sich lohnt, auf diese Technologie zu setzen.
Was sind Spatial Videos?
Spatial Videos sind ein Format, das neben der Bildinformation auch räumliche Tiefe speichert. Dies wird durch zwei leicht versetzte Kameraperspektiven ermöglicht, die ähnlich wie unsere Augen funktionieren. Durch diesen Stereoskopie-Effekt entsteht beim Abspielen der Eindruck von echter Dreidimensionalität. Auf einem passenden Gerät wie der Apple Vision Pro wirkt das Bild nicht mehr wie ein flaches Fenster, sondern wie ein Raum, in den man hineinschauen kann. Gesichter, Objekte oder Landschaften erhalten Tiefe und wirken greifbar, als stünde man direkt vor Ort.
Besonders spannend ist, dass diese Technik nicht länger auf professionelle Filmsets oder spezialisierte Kameras beschränkt ist. Noch vor wenigen Jahren waren aufwendige Rig-Systeme mit mehreren Linsen nötig, um vergleichbare Ergebnisse zu erzielen. Heute genügt ein iPhone 15 Pro oder Pro Max, das über zwei Kameras gleichzeitig aufnimmt und die Daten anschließend in ein räumliches Videoformat umwandelt. Damit wird eine Technologie, die früher nur für High-End-Produktionen zugänglich war, plötzlich für den Alltag nutzbar. Familien können Geburtstage, Reisen oder besondere Momente mit einer völlig neuen Intensität festhalten. Für Content Creator, Unternehmen und Videoproduzenten eröffnet sich damit ein zusätzlicher kreativer Spielraum, denn räumliches Storytelling war noch nie so einfach umzusetzen.
Unterschied zwischen Spatial Video und 360°-/VR-Video
Häufig werden Spatial Videos mit 360°- oder VR-Videos gleichgesetzt. Dabei gibt es deutliche Unterschiede, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. Bei 360°-Videos ist es möglich, sich frei umzusehen. Man dreht den Kopf oder bewegt das Endgerät und erhält dadurch einen Rundumblick. Das kann zwar beeindruckend sein, wirkt aber oft zweidimensional. Die Aufnahme ähnelt einer Kugelprojektion: Man befindet sich im Zentrum und schaut in alle Richtungen, jedoch fehlt die Tiefe der Objekte. Erst wenn 360°-Aufnahmen mit komplexer 3D-Technik kombiniert werden, entsteht ein räumlicher Effekt. Dies ist jedoch aufwendig in Produktion und Wiedergabe.
Spatial Videos setzen an einer anderen Stelle an. Sie erlauben keinen Rundumblick, sondern fixieren den Bildausschnitt so, wie er aufgenommen wurde. Der entscheidende Unterschied liegt in der Tiefe: Objekte wirken greifbar, Abstände lassen sich im Raum wahrnehmen und man hat das Gefühl, direkt neben den gefilmten Personen oder in der gefilmten Umgebung zu stehen. Während 360°-Videos also eher ein Panorama bieten, liefern Spatial Videos eine realistische Nähe – wenn auch nicht interaktiv, dafür aber intensiver und authentischer.

Vor- und Nachteile von Spatial Videos für Konsumenten
Für Endnutzer liegt der Reiz von Spatial Videos vor allem in der Emotionalität. Szenen wirken intensiver und lebendiger, Erinnerungen gewinnen an Tiefe und können mit der passenden Hardware zu einem Erlebnis werden, das herkömmliche Aufnahmen kaum bieten. Die einfache Aufnahme mit einem iPhone macht das Format zudem niedrigschwellig.
Auf der anderen Seite sind die Voraussetzungen für die Wiedergabe noch hoch: Ohne eine AR- oder VR-Brille entfalten die Videos kaum ihre Wirkung, und die Hardware ist mit Geräten wie der Apple Vision Pro noch sehr teuer. Hinzu kommen große Dateigrößen und die Tatsache, dass viele Plattformen noch nicht auf Spatial ausgelegt sind.
Ob sich Spatial Videos lohnen, hängt stark vom Einsatzzweck ab. Für Alltagsclips, die man schnell über WhatsApp verschickt oder auf Instagram teilt, ist das Format überdimensioniert. Besonders wertvoll wird es dagegen in Momenten, die man für lange Zeit bewahren möchte: eine Hochzeit, ein Kindergeburtstag, eine Reise oder ein besonderes Konzert. Hier entfaltet die räumliche Tiefe ihre Wirkung und macht Erinnerungen nicht nur sichtbar, sondern beinahe wieder erlebbar. Für kurze Szenen zwischendurch bleibt das klassische 2D-Video praktischer und universeller.
Spatial Videos und die Zukunft der Videoproduktion
Im Jahr 2025 sind Spatial Videos zwar noch ein Nischenphänomen, doch die Geschwindigkeit, mit der sich dieses Feld entwickelt, ist bemerkenswert. Schnittprogramme wie Final Cut Pro oder DaVinci Resolve unterstützen das Format bereits nativ, wodurch es für Profis deutlich einfacher wird, damit zu arbeiten. Kamerahersteller wie Canon und Blackmagic Design treiben die Entwicklung voran, indem sie spezialisierte Objektive und Kameras auf den Markt bringen, die räumliche Aufnahmen in professioneller Qualität ermöglichen. Parallel dazu entstehen mit Plattformen wie Vimeo erste Ökosysteme, die den Upload, die Bearbeitung und die Distribution von Spatial Content vereinfachen.
Für die Videoproduktion bedeutet dies, dass wir am Beginn einer neuen Form des Storytellings stehen. Spatial Videos sind mehr als ein kurzlebiger Trend; sie sind ein Zwischenschritt hin zu volumetrischen Inhalten, bei denen sich Zuschauer frei im Raum bewegen können. Während heute noch die reine Betrachtung in 3D im Vordergrund steht, könnten in Zukunft interaktive Inhalte entstehen, die Erlebnisse noch immersiver machen – sei es in der Unterhaltung, im Sport, in der Bildung oder im Marketing.
Für Videoproduzenten eröffnet sich dadurch eine doppelte Chance: Einerseits können sie sich frühzeitig in einem Feld positionieren, das in Zukunft zum Standard werden könnte. Andererseits lassen sich mit Spatial Videos Geschichten auf eine Weise erzählen, die klassische Formate nicht leisten können: emotionaler, immersiver und näher an den Zuschauern. Wer heute experimentiert, sammelt nicht nur Erfahrung, sondern verschafft sich auch einen Vorsprung für die kommenden Jahre.
Zusammengefasst
➡️ Spatial Videos bringen Tiefe ins Bewegtbild und machen Erinnerungen intensiver erlebbar. Sie eröffnen eine neue Qualität für besondere Momente.
➡️ Der Unterschied zu 360°-Videos liegt in der Immersion: Anstelle eines Rundumblicks bieten Spatial Videos eine realistische räumliche Nähe.
➡️ In der Videoproduktion sind sie heute noch eine Nische, entwickeln sich aber rasant weiter und könnten bald so selbstverständlich sein wie 4K oder HDR.






